
…und über meinen sportlichen Kampf damit. Ich war gestern an der Fitness- Messe auf der Allmend. Was Sie das angeht? Eigentlich nichts.
Die Geschichte sollte dramatisch sein, so lautete der Auftrag. Mir fiel es schon immer eher schwierig, Fitness und Drama zu verbinden. Meine Sportaktivität steht aber sicherlich im drastischen Gegensatz zu jener derer, die ich gestern besucht habe. An diesem Wochenende fand in Luzern bei der Allmend die Fitness-, Sport- und Wellness-Messe statt, einige Abende zuvor meine Erkenntnis, dass ich den Auftrag annehmen und dort auftauchen sollte.
Mit dem Sport ist es bei mir nämlich so eine Sache: Meine Sporteinheiten beschränken sich momentan auf den jämmerlichen Versuch, die noch nicht erschlafften Muskeln ein paar Mal pro Woche anzustrengen. Ich schaffe es dabei sehr oft nur bis zum Einkleiden und dann müssen auch schon meine Pflanzenleichen dringend getränkt werden. Ich komm halt einfach nur selten dazu und das ist auch überhaupt nicht meine Schuld, sondern die der Pflanzen.
Also raffte ich mich gestern auf, absolvierte mein mehrmals tägliches Intervalltraining – körperliche Höchstleistung in kurzer Zeit– ich rannte auf den Zug. Ich würde die Messe besuchen und vielleicht ein paar Tipps und Tricks erhalten, die nicht zu grosse Anstrengungen verlangen und in meinem ausgefüllten Leben Platz fänden.
Glatt, haarlos und nackt
Begrüsst wurde ich von Pole-Tänzerinnen: Die überaus muskelreichen Geschöpfe standen auf hohen Absätzen. Wahrscheinlich die Maxime des durchtrainierten weiblichen Körpers, ich kam mir recht plump vor. Sonja hatte das Lachen einer soeben gekrönten Miss Schweiz: Ein schönes, sympathisches auf Schminke und perfekt sitzende Frisur abgestimmtes. Sie war höflich, erzählte von Eleganz, chinesischem Zirkus und der längst anerkannten Sportart, die harmonische weibliche Körper forme und nach drei Wochen schon im Six-Pack resultiere. Wie schön. „Komm, du kannst die Stange mal anfassen“, meinte sie und zog mich mit ihr auf die kleine Bühne des Stangentanzes. Ich werde mich da nicht wie ein müder Kartoffelsack dranhängen. Ehe ich den Gedanken zu Ende gedacht hatte, war Sonja schon dran und legte eine beeindruckend kraftvolle Show hin. Diese Tatsache war mehrfach unangenehm. Zum Einen wurde sie damit zum Anziehungspunkt junger Muskelprotze und erntete reichlich Lobespfiffe, zum anderen hatte ich nun auch am Boden die Rolle des glotzenden plumpen Kartoffelsacks eingenommen. Die Scheinwerfer beschienen ihren glatten haarlosen und bis auf einen Bikini nackten Körper, wie er sich elegant um die Stange räkelte. Und mich.
Zu viel Körperfett
Man könnte denken, ich sei ja bloss neidisch. Bin ich auch. Also ging ich weiter, Körperfalten messen. Der Instruktor packte an meinen Hüften, riss heraus was er konnte – was nicht ganz schmerzlos war – und steckte es in ein zangenartiges Ding um zu erkennen, dass ich zu viel davon hatte. „Wie alt bist du?“ Auf jeden Fall sei ich zu jung für das hier, ich solle weniger Kohlenhydrate essen. Er fasste nach: da liesse sich jetzt wirklich was machen und auch zu wenig Schlaf habe ich, zu schlechten, das zeigten die Messungen an meiner Wade. Irgendwann hatte ich die konstruktive Kritik durch den Schleier der Beleidigung verstanden – ich sollte daran arbeiten – weiter ging’s. Ein Ernährungsberater präsentierte mir das kalorienlose Trauerspiel, das er mir zum Frühstück empfahl. Ich nickte, morgen würde ich aber noch drauf verzichten.
In der Halle versammelten sich muskulöse Männerkörper, auf denen viel zu klein wirkende Köpfe ruhten, zahlreiche nackte Bäuche und knackige Hintern. Die Regale von Hilfsmitteln im Dienste der äusseren Schönheit reichten von Detoxpülverchen über Powerriegel bis hin zu übergrossen Boxen an Proteinshakes. Ich war schlichtweg überfordert mit dem Angebot und entdeckte was, das lustiger aussah: Ein vibrierendes Trainingsgerät, auf welches man sich stellen konnte. Der Berater empfing mich, demonstrierte ein paar simple Übungen und warnte mich vor deren Schwierigkeit. Die Übungen waren so einfach, ich konnte gar nicht daran scheitern. Ich scheiterte.
Wir werden immer fetter
Mir war natürlich klar, dass die inszenierte Nähe vieler Instruktoren, keine war. Eine Kulisse des schönen Lächelns, der haarlosen Haut, ein Geschäft mit dem Machen von Schönheit. Ich beobachtete zahlreiche Körper, aus deren Äusserem vor allem eines sprach: der Wunsch nach Anerkennung. Einige von ihnen bestätigten mir das selbstbewusst. Ebenso viele waren aber auch Sinnbild dafür, wie weit der Wille gehen kann, um den eigenen Körper den Wünschen entsprechend zu gestalten. Ich beneidete die Körper, die ohne Preis nicht zu haben waren. Wobei das Muskelprotzleben hart sein muss, aber das ist Spekulation.
Der Journalist Felix Hütten schrieb gestern in der Süddeutschen Zeitung: Die Menschen werden immer fetter. Eine klare Anschuldigung an uns alle, die er mit irgendeiner repräsentativen Statistik rechtfertigt und die deshalb wahrscheinlich berechtigt ist. Ich schlenderte noch ein wenig durch die Messe, liess mich hie und da von Pülverchen begeistern, testete Powerbeef und Detoxtee, liess mich für Challenges überreden und vermasselte sie reihenweise. Fitness, Smoothies und Muskelversprechen rissen aber gestern einige Besucher in ihren Bann, sie alle träumen vom perfekt schönen Körper. Am besten verkauft sich bekanntlich das eigentlich Unverkäufliche.
Mir unterging nicht, dass der Veranstaltung ein klarer Imperativ innewohnte. Schön ist, wer will. Schönheit ist Macht. Und trotzdem: Ich ging nach Hause, Pflanzen tränken.
*Der Name der Instruktorin wurde abgeändert
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